La Palma
Genau 50 Jahre, nachdem der als „freundlicher Vulkan“ in die Geschichtsbücher eingegangene „Teneguia“ La Palma einen längeren Südzipfel bescherte, brach aus einem flachen Hang an der Inselwestseite völlig unvermutet Lava aus: Tajogaite brodelte mitten in der Corona-Zeit. „Lüften, lüften, lüften!“, lautete da gerade die Order im Fernsehen; „Fenster schließen!“ rieten die Behörden auf La Palma. Für rund 7000 Menschen der „Isla Bonita“ gab es bald keine Fenster mehr zum Schließen: Fast 900 Häuser wurden metertief unter Lava begraben oder von einer bis zu 15 Meter hohen Lavafront zusammengedrückt. Hausgroße Lavabomben flogen in den Himmel; Aschesäulen türmten sich auf bis zu 5000 Meter. Die Eruption dauerte 85 Tage und war Spaniens bisher schlimmste Naturkatastrophe.
Inzwischen führt eine neue Straße durch das 1.241 Hektar große schwarze Schotterfeld zwischen Tazacorte und Puerto Naos. Noch besser kann man es über Stege-Wege in Augenschein nehmen, zugänglich über das bereits vor dem Ausbruch im Bau befindliche und jetzt fertig gestellte Besucherzentrum Caños de Fuego. Weiter bergauf, Richtung der Ausbruchsspalten, ist die Landschaft von feinkörnigem, grauem Lapilli bedeckt. Bei Las Manchas unweit der Virgen de Fátima de las Cenizas gibt es einen Aussichtspunkt und einen Wanderweg, der guten Einblick bietet. Am nächsten kommt man dem neu entstandenen Vulkankegel auf einer Führung (Buchen in El Paso bei La Palma Outdoor). Ohne Guide ist es nicht erlaubt, das Epizentrum zu betreten.
Puerto Naos, der Küstenort mit dem schönen schwarzen Sandstrand, und La Bombilla sind bis 2024 wegen stark erhöhter CO2-Emissionen größtenteils evakuiert und von der Polizei abgesperrt. Wo die Gase genau austraten, konnte nicht festgestellt werden oder wurde nicht öffentlich. Erst im April 2024 durften rund 600 Menschen wieder zurück, aber nur diejenigen, deren Wohnung sich in einem Sektor befand, in dem die Gasbelastung gemäß Hunderter aufgestellter Sensoren deutlich abgesunken war.
Wir waren im März 2024 auf La Palma und hatten eine Unterkunft in unmittelbarer Nähe des gesperrten Aridane-Tals. Das Wetter war großteils sehr badefreundlich, wir fanden in Tazacorte schöne Strandalternativen. Sehr zu empfehlen: der Playa Nueva oder auch Playa del Mangon, den man zu Fuß und auf den letzten Metern über eine verrostete Treppe entlang der Steilklippe erreicht. Am Strand ist Nacktbaden erlaubt, und es gibt sogar eine Süßwasserdusche, mehr aber auch nicht. Am besten parkt man in Tazacorte beim Restaurante Los Lavaderos und geht von dort aus dorthin. Der Playa de Tazacorte am Puerto ist natürlich um einiges größer, bietet öffentliche Toiletten und eine Menge schöner strandnaher Lokale. Laut Statistik kommt er im Jahr auf mehr Sonnenstunden als jeder andere Urlaubsort in Europa.
Allerdings ist das Meer vor La Palmas Ostküste immer ein kleines bisschen wärmer, weil der Golfstrom hier ganz nah vorbeifließt. Doch das bis auf 2.426 Meter ansteigende Nord-Süd-Gebirge ist eine Wetter-Scheide, bedeutet: Wolken, die die Passatwinde herbeitragen, bleiben meist auf der Ostseite hängen und regnen hier ab. Es kann also passieren, dass auf der einen Seite des Túnel de la Cumbre dichter kühler Nebel herrscht und zwei Kilometer weiter in El Paso die Sonne vom blauen Himmel scheint.
Die höchste Erhebung an der Nordspitze der Insel schuf vor 2 Millionen Jahren der Garafia-Vulkan. Der erkaltete Kegel brach später halbseitig ein und ergoss eine Trümmerlawine ins Meer. 200.000 Jahre später brach ein neuer Vulkan aus, der eine Höhe von 3.500 Metern erreichte und alles mit Lava überdeckte, später aber ebenfalls erodierte.
Aus diesem Wechselspiel entstand die Caldera de Taburiente, ein gigantischer Kraterkessel, den zu erwandern einfach traumhaft ist. An seiner nordöstlicher Abrisskante wurden mehrere Sternwarten errichtet. Das Observatorio del Roque de los Muchachos (ORM) misst zum Beispiel Gammastrahlen, hochenergetische Photonen, die Hinweise auf längst vergangene Sternenexplosionen geben können. Damit diese Messungen nicht gestört werden, gibt es auf La Palma ein Gesetz zur Vermeidung von Lichtverschmutzung. Die gelben Straßenlampen und das Fehlen von Leuchtreklame sind eine Ergebnis dieses auf der Welt einmaligen Gesetzes.
Dem Bau des Observatoriums ist eine asphaltierte Serpentinenstraße zu verdanken, so dass der höchste Punkt der Insel mit dem Auto erreichbar ist. Die Strecke durchläuft mehrere Klimazonen bis hin zum baumlosen Hochgebirgsklima. Die (längere) Ostauffahrt von Santa Cruz aus beginnt mit subtropischem Klima auf Meereshöhe. Oben angekommen kann man bei klarem Wetter über die Vulkankette bis hin zur Südspitze sehen. An anderen Tagen schwebt man förmlich über den Wolken. Im Winter kann es auch nebelig sein. Je früher man sich morgens auf den Weg macht, um so höher sind die Chancen auf gute Sichtverhältnisse.
Am Wochenende lohnt sich auf der Fahrt dorthin ein Zwischenstopp auf dem Bauernmarkt in Puntagorda. Er ist in einer sichelförmigen Markthalle am nördlichen Ortsausgang mitten im Kiefernwald von El Fayal situiert. Frisch gepresster Zuckerrohrsaft lässt sich hier kosten, Mandelkuchen, Ziegenkäse aller Reifestufen, Anis-gewürzte Bananenchips und „Honig der tausend Blumen“. Am Deutsche-Torten-Stand von Werner Schimeck stehen vor allem die Einheimischen Schlange.
Es sind überhaupt viele Deutsche, die auf La Palma ein neues Leben begonnen haben, sei es als Konditor, Künstler, Bierbrauer, Astrologe, Autoverleiher, Tauchlehrer, Masseur, Heilpraktiker oder Café- und Restaurantbesitzer. So betreibt Frohmut Schweitzer auf dem Weg zu den Höhlen der kanarischen Ureinwohner ein veganes Bio Café inmitten der zauberhaften Landschaft. Auch die Caféküche ist in einer Höhle eingerichtet. Der eigentliche „Gastraum“ liegt mit Blick auf den Atlantik unter einer blühend umrankten Pergola. Da es nicht täglich geöffnet ist, sollte man sich vor einer Wanderung dorthin anmelden!
Zweifellos ist La Palma „la Isla Bonita“. Kaum vielfältiger kann man sich eine Kanareninsel vorstellen, gesegnet mit ausgedehnten Kiefern- und Lorbeerwäldern, einer fantastischen Vulkanlandschaft und Heide-bewachsenen Hügeln, auf denen Drachenbäume und Höhleninschriften von uralten Zeiten erzählen. Eine Trauminsel zum Wandern also, wobei aber kaum ein Weg ohne lange, starke Steigungen verläuft!
Und hier geht’s zu unseren La Palma Fotos.