Jersey
Wenn man erzählt, man reist nach Jersey, denken die meisten an New Jersey in den USA. Doch wie der Name schon sagt: Das neue amerikanische Jersey ist nicht das ursprüngliche im Ärmelkanal zwischen England und Frankreich. Defacto war New Jersey ein Gastgeschenk von Karl II. Der erhielt im englischen Bürgerkrieg (1642 bis 1649) auf Jersey Zuflucht. Er revanchierte sich mit Kolonien, die England in Übersee zwischen dem Hudson und dem Delaware River besaß. In Gedenken an diese Geschichte wurde dieses Gebiet New Jersey genannt. (Infolge von Streits unter den Erben der ursprünglich acht beschenkten Marineoffiziere liegen aber schon lange keine Eigentumsverhältnisse mehr vor.)
Vom hier gemeinten Jersey – einer grünen Insel, nicht zuletzt für ihre Kartoffeln berühmt, aber auch ihre Kühe – sieht man bei so gut wie jedem Wetter die Küste der Normandie: Frankreich ist nämlich nur knapp 23 Kilometer entfernt. Tatsächlich war Nordfrankreich – wie auch die Kanalinseln – bis 1204 Teil von England. Doch in diesem Jahr erkämpfte sich Paris die Normandie, die Kanalinseln aber nicht. Die blieben englischer Kronbesitz. Heute bleibt Jerseys französische Vorgeschichte an vielen französischen Straßen- und Häusernamen erkennbar. Zehn Prozent der Jerseyaner sprechen sogar noch Jèrriais, einen normannisch-französischen Dialekt.
Selbstregiertes Paradies für Geldgeschäfte und Reiche
Jersey gehört zwar zu Großbritannien, nicht aber zum Vereinigten Königreich. Die Insel hat daher auch eine eigene Gesetzgebung (viele Texte davon stammen noch aus alter Zeit und sind auf Französisch) und eine eigene Währung. Das Jersey-Pfund kann man außer auf den anderen Kanalinseln sonst nirgendwo einsetzen, geschweige denn eintauschen. Auch eigene Briefmarken bringt Jersey heraus – viele verschiedene. Besonders schön darum, von hier aus mal wieder eine Postkarte zu verschicken.
Dazu kommen niedrige Steuern. Gerade in den 60er- und 70er-Jahren reisten viele nach Jersey, um steuerfrei Zigaretten, Tabak, Alkohol oder Parfum einzukaufen. Erst seit 2011 gibt es eine Steuer von fünf Prozent auf Waren und Dienstleistungen. Beim Einkommen beträgt der Höchststeuersatz 20 Prozent, aber auch nur bis zu einer Summe von 625.000 GBP. Alles, was darüber liegt, wird nur noch mit 1% besteuert. Auf Kapitalgewinne oder Kapitaltransfers werden keine Steuern erhoben.
Drum ist der Tourismus lange nicht mehr der wichtigste Wirtschaftszweig, heißt: Ein Viertel der Bevölkerung ist in der Finanzindustrie tätig. Daher wurden viele Hotels zu Apartmenthäusern für Investmentbanker umgewandelt. In der Mehrzahl sind es nämlich Gastarbeiter, die temporär nach Jersey ziehen, um bei Privatbanken wie Coutts oder Barclays zu helfen, Geld zu vermehren.
Um dauerhaft auf Jersey zu leben und offizieller Staatsangehöriger zu werden, muss man sich als sogenannter High Value Resident qualifizieren. Vielen Portugiesen, die in den 1960er-Jahren aus Madeira nach Jersey zogen und hier Arbeit in der Landwirtschaft oder im Hotelgewerbe fanden, ist das gelungen – allein dadurch, dass sie inzwischen vierzig Jahre auf der Insel gearbeitet haben und leben. (Zehn Prozent der heute auf Jersey lebenden Menschen stammen von Madeira.) Eine andere Möglichkeit, die Jersey-Staatsangehörigkeit zu erwerben, besteht darin, pro Jahr wenigstens 625.000 Jersey-Pfund zu verdienen und ergo 125.000 Pfund Einkommenssteuer zu zahlen.
Wer auf Jersey bloß Urlaub machen will, kommt leichter hin …
Jersey als lohnenswertes Reiseziel und Urlaubsinsel
Jersey ist nonstop aus Deutschland per Flugzeug erreichbar, z. B. via Düsseldorf oder München. Das ganzjährig milde, vom Golfstrom begünstigte Klima sorgt für eine herrliche Vegetation. Wer gerne Fahrrad fährt, findet viele verkehrsberuhigte Sträßchen, sogenannte Green Lanes. Immer wieder sind diese so zugewachsen, dass man durch grüne Tunnel radelt. Niemand würde hier auf die Idee kommen, Bäume, weil sie so dicht an der Straße wachsen, präventiv zu fällen. Gerade wer Eichen liebt, wird sie überall antreffen. Zu Fuß unterwegs, halten Klippenwanderwege tolle Aussichten bereit, nicht zuletzt auf riesige, nie überlaufene Strände und wunderschöne kleine Buchten.
Wer Hunger bekommt, hat die Wahl zwischen Pubs, Restaurants und Ständen, an denen man z. B. Thai-Food oder sogar Fangfrisches aus dem Meer bekommt. In den Cafés gibt es die nachmittäglichen Scones oder Cakes immer auch glutenfrei. Jersey bringt v. a. eine besondere Kartoffelsorte hervor. Ihr feines Aroma rührt daher, dass die Bauern ihre Felder seit jeher mit Seetang düngen. Die Jersey Royal wird in vielen Varianten serviert, von den Einheimischen am liebsten einfach mit goldgelber Jersey Butter verspeist. Die ist besonders fett und stammt von hübschen braunen Kühen, die es so ebenfalls nur auf Jersey gibt. Nicht aus Milch, aber genauso köstlich ist Black Butter, ein süßer, fast schwarzer Brotaufstrich, für den Jersey-Äpfel stundenlang gekocht und nach alter Rezeptur u. a. mit Zimt, Lakritz und Brandy gewürzt werden.
Kein Vorbeikommen an deutscher Geschichte
Fünf Jahre war Jersey unter Hitler von den Deutschen besetzt. In dieser Zeit mussten Zwangsarbeiter an die 300 Bunker und Wehranlagen bauen. Man findet sie an den schönsten Stränden und inmitten uralter Burgen wie dem Elisabeth Castel. Teilweise haben die Einheimischen diese Anlagen einfach umfunktioniert: zur Strandküche, zum Hummerzuchtbecken, Kühlhaus, Ferienhaus, Museum. Viele Augenzeugenberichte aus der Zeit von 1940-45 sind als Buch veröffentlicht und in den örtlichen Buchhandlungen und Museumsshops erhältlich.
Doch Jersey ist auch reich an viel älteren historischen Stätten. Dazu zählen zum einen die Burgen und Cottages, aber auch zehn Hünengräber aus der Zeit um 4000 vor Christus. Sie sind nur ein kärglicher Überrest von geschätzten über Hundert. Schon vor rund 250.000 Jahren lebten Menschen auf Jersey. Zur der Zeit – Ende der Eiszeit – war die Insel noch mit dem Festland verbunden. Besonders sehenswert ist La Hogue Bie. Dieses Hünengrab blieb lange unter einem 12 Meter hohen, künstlichen Hügel verborgen, auf den Katholiken prompt eine Kapelle setzten. Viele Informationen zu den Dolmen bietet die Internetseite prehistoricjersey.net