Langeoog
Kilometerlange Strände, feinster, weicher Sand – das findet man drei Autostunden von Dortmund auf der ostfriesischen Insel Langeoog. Ab Bensersiel, wo man seinen Wagen stehen lassen muss, wühlt sich die Fähre anfangs noch durch Schlick. Dann kann sie Gas geben: 1976 wurde die Fahrrinne ausgebaggert. Seitdem ist der Schiffsverkehr gezeitenunabhängig. Ein Passagier, der auf Deck neben uns steht, weiß, dass man bei Ebbe auch nach Langeoog wandern kann. Solange die Mole links zur Fahrtrichtung in die Nordsee ragt, ist das noch vorstellbar. 1 Kilometer weiter sind wir aber schon mitten in der „Langeooger Balje“ – der tiefen Strömungsrinne zwischen den ausgedehnten Watten, welche jetzt ebenfalls fast überflutet sind. Zu Fuß wollte ich von hier aus nicht unbedingt weiter. Müssen wir noch längst nicht: Im Hafen Langeoogs angekommen wartet schon die bunte Inselbahn auf uns. Bis 1937 wurde sie von Pferden gezogen. (Die Gleisanlage kam per Schiff aus Dortmund.)
Eine Viertelstunde später steigen wir in eine echte Kutsche, gezogen von einem Apfelschimmel, dessen graue Flecken so schön verlaufen wie Aquarellfarbe. Später steigen wir auf Drahtesel um. Sie sind das Hauptverkehrsmittel der Insel: Fahrräder mit meist nur einem Gang, auf denen man so aufrecht sitzt wie hoch zu Ross. Richtig schnell kann man dadurch nicht radeln, dafür die herrliche Landschaft allerbestens in Augenschein nehmen. Auch wegen des Gegenwinds fährt sich’s gebremst, erst recht, wenn es Richtung Ostende geht, wo die Seelöwen leben. Wir haben leider keine angetroffen, dafür die schönsten Pferde weit und breit und Plüschrinder, die aussehen wie aus der Sesamstraße.
Langeoogs Dünenlandschaft ist ein wahrer Traum. Wer ahnt, was auf Sand alles wachsen kann: Schilf und Dünenrosen, Leinkraut und Wasserminze – nur vier von unzähligen Arten. Die Vorhut bildet die Sandsegge, ein Trockenheit und Wind widerstehendes Gras, das sich überall dort ansiedelt, wo der Sand freiliegt. Mit seinen Wurzelausläufern, aus denen die Grashalme sprießen, wächst es schnurgerade in die offenen Flächen hinein und legt so diese Stellen fest. Da das aussieht wie eingenäht, wird die Sandsegge auch als „Nähmaschine Gottes“ bezeichnet.
Im September sind auch Sanddorn, Hagebutten und Holunderbeeren reif. Aus allen Büschen leuchtet es dann rot und orange. Sanddornsaft heiß oder kalt, mit oder ohne Schuss, als Eis, mit Dickmilch oder Praline ist eine Spezialität in den Restaurants und Kneipen. Hier und da kredenzt man auch Nordseefisch und Krabben, inseleigene Kleikartoffeln oder zum Beispiel Labskaus. Kleikartoffeln wachsen auf ehemaligem Meeresboden, der durch Eindeichung entstand und daher besonders nährstoffreich ist. Labskaus – sprachlich nicht eindeutig rückbestimmbar – ist ein deftiges Seemannsgericht aus gepökeltem Rindfleisch, Kartoffeln, dazu Hering und Rote Beete, manchmal auch Essiggurken, auf jeden Fall Zwiebeln. Schmeckt sehr viel besser als es klingt!
Unter den Inseldünen liegt ein natürlicher Regenwasserspeicher, die sogenannte Süßwasserlinse. Sie gibt nicht nur den Pflanzen zu trinken. Ganz Langeoog – seine knapp 2000 Bewohner und rund 200.000 Gäste pro Jahr – werden aus ihr mit Trinkwasser versorgt. Möglich ist dieses Reservoir, weil Süßwasser leichter als Salzwasser ist. Daher bleiben die versickernden Niederschläge wie ein riesiges Fettauge auf dem Meerwasser schwimmen. In tiefer gelegenen Dünentälern und im Bereich des Dünenfußes tritt das Süßwasser auch oberirdisch zutage. Gefährlich für das Reservoir sind Salzwassereinbrüche von oben, wie sie bei Sturmfluten auftreten können. Daher spielt der Dünenschutz eine wichtige Rolle. Langeoog hat zum Glück die höchsten Dünen von allen ostfriesischen Inseln und kommt daher als einzige (noch) ohne seeseitige Küstenschutzbauwerke aus.
Hinter den Dünen erstreckt sich der etwa 14 Kilometer lange Sandstrand. Um allen Bedürfnissen gerecht zu werden, hat man ihn in Zonen aufgeteilt. So gibt es Strandabschnitte für Hunde, Nichtraucher, Kinder, Kiter, Surfer, Leute, die ihren Drachen steigen lassen wollen oder solche, die mit Rollstuhl unterwegs sind. Im Nordwesten wächst eine große Sandbank heran. Wie mit einer Nabelschnur ist sie an einer Stelle – aber auch nur bei Ebbe – mit dem Strand verbunden. Kurverwaltung und DLRG warnen davor, sie zu betreten. Manch einer ist nicht mehr allein zurückgekommen, weil die Flut rascher stieg als gedacht. Da konnte nur noch der Hubschrauber helfen. Dennoch sieht man viele Badegäste auf der Sandbank spazieren gehen. Die Verlockung ist einfach zu groß.
Der südwestliche Strandabschnitt, das sogenannte Flinthörn, steht unter Naturschutz und darf nicht betreten werden. Eine Ausnahme bildet der „Naturpfad Flinthörn“, welcher mitten hindurch führt, wobei bebilderte Informationstafeln die vorkommenden Vogel- und Pflanzenarten beschreiben. Nicht zuletzt wegen der hier brütenden Sumpfohreule ist die Region von der UNESCO als Weltnaturerbe anerkannt. Gerade in den Abendstunden ist es besonders friedlich hier und schön, bei der Südmole auf einer Bank zu sitzen und den Rufen und Geräuschen der Vögel zu lauschen, die im Watt nach Muscheln suchen.
Zu unseren Langeoog Fotos …